Johannes Auer :::::::::::: search lutz! :::::::::::::::Netzperformance

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12.05.2006 3durch3, Kunsthalle Fridericianum, Kassel
30.09.2006 Performance und Radiosendung: RadioRevolten, Ärztehaus, Halle
14.09.2007 Bardinale Dresden, Netz-Performance
16.04.2008 Netzgeschichten, Literaturhaus Stuttgart
13.05.2008 Linzer Notate, MAERZ Linz
09.07.2008 poesiefestival, Literaturwerkstatt Berlin
25.04.2009 Blue Metropolis International Literary Festival, Montreal


Die Performance nimmt Bezug auf unsere tägliche Nutzung von Suchmaschinen wie "Web.de" und auf das historische Ereignis der literarischen Textproduktion durch eine von Theo Lutz im Jahre 1959 programmierte Maschine.



search lutz! interpretiert von Christiane Maschajechi, 2008 (Ausschnitt)



:: zum Webinterface
von "searchLutz!"


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Johannes Auer: search lutz!


Suchmaschinen sind das populärste Werkzeug des Internets. Mit tausenden von Wörtern wird in jeder Sekunde nach Antworten gesucht. Dieser Wortstrom ist quasi Ausdruck des rohen, ungefilterten kollektiven Begehrens der Menschen im Netz. Einen Einblick in diesen kontinuierlichen Wortstrom gewährt die Suchmaschine "Fireball.de" mit ihrer Livesuche.

1959 erzeugte zum erstenmal eine Rechenanlage einen literarischen Text.
Theo Lutz hatte für die Zuse Z22 ein Programm geschrieben, um stochastische Texte zu erzeugen. Dazu hatte er 16 Subjekte und 16 Prädikate aus Kafkas "Schloss" ausgewählt, die nach bestimmten von ihm festgelegten Regeln zu Sätzen verknüpft wurden.
http://www.stuttgarter-schule.de/lutz_schule.htm

Für die Performance "Search Lutz!" wird eine Web-Umsetzung von Theo Lutz' Programm, die ich in PHP geschrieben habe, benutzt. Das Webinterface erzeugt, stochastische (zufallsbasierte) Texte auf der Basis von Theo Lutz' Algorithmus.

Gleichzeitig werden die Substantive des benutzten Wortschatzes einerseits kontinuierlich durch Begriffe aus der "Livesuche" ersetzt (d.h. also Wörtern, die gerade von irgendwem in die Suchmaschine "Fireball.de" eingegeben werden), andererseits werden die verwendeten Substantive und Adjektive über ein Webinterface durch die Besucher der Performance ausgetauscht.

1959 waren die Computertexte zweifach literarisch konnotiert. Einerseits durch den benutzten "Kafka"-Wortschatz, andererseits durch Korrekturen von Theo Lutz. Denn in einem von ihm redigierten Abdruck einer Auswahl der stochastischen Texte hatte Theo Lutz kleine grammatikalische Fehler und fehlende Satzzeichen von Hand korrigiert und somit, entgegen der Programmierung, als "traditioneller" Autor agiert.

Dieses Literarische (oder man könnte auch sagen: dieses "Menscheln") bei diesen ersten computergenerierten Texten soll in der Performance 3-fach aufgegriffen werden, einerseits durch eine literarische Inszenierung der entstehenden Computertexte durch einen professionellen Sprecher. Zweitens durch die Mitautorschaft des Publikums. Als dritte literarische Referenz wird das kollektive Begehren im Netz mitschreiben durch die Hereinnahme von Suchbegriffen, die aktuell mit der Suchmaschine "WEB.DE" gesucht werden. Letzteres ist das rohe und ungefilterte Schreiben im Internet und diese unkontrollierbaren Begriffe und Phrasen aus der Suchmaschine werden ohne jegliche Rechtschreib- oder grammatikalische Anpassung in die Performance eingeschleust. Sie sind somit auch eine Referenz an die grammatikalischen Verstöße von Theo Lutz' Programmierung von 1959.

Was entstehen wird, ist ein höchst komplexes Geflecht der sprachlichen Interaktion zwischen Mensch, Maschine (Programmierung) und Netzkommunikation, zwischen zufälliger Textentstehung, literarischer Absicht, bewusster Manipulation und dem Wortstrom der "Livesuche".

Der generierte Text wird von einem professionellen Sprecher performt.

Johannes Auer, 2006